Know-how – Hätten Sie es gewusst?

Viele Landwirte sehen sich zunehmend in ihrer Existenz bedroht: wachsender Preisdruck, sinkende Fleisch- und Getreidepreise, hohe Auflagen, der Klimawandel und fehlender Nachwuchs setzen ihnen hart zu. Nachhaltiges Potenzial birgt daher die Erschließung neuer Geschäftsfelder abseits der Landwirtschaft.

Ein Landwirt pflügt seinen Acker.
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Die Diversifizierung eröffnet Landwirten ungeahnte Potenziale und macht sie unabhängiger von der Landwirtschaft.

Im Oktober dieses Jahres gingen tausende Landwirte in ganz Deutschland auf die Straßen - gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung und das Negativimage, mit dem der Bauernstand inzwischen vielfach in Verbindung gebracht wird. Nicht ganz zu Unrecht, wird die Situation der Landwirte im ganzen Bundesgebiet doch zunehmend prekärer.

Ursache hierfür sind eine Kombination aus steigenden Bodenpreisen, sinkenden Erträgen, dem wachsenden Preisdruck durch den Lebensmitteleinzelhandel bei gleichzeitig fehlender Bereitschaft in weiten Teilen der Bevölkerung, mehr Geld für regional erzeugte Produkte zu bezahlen, sowie Rückschlägen und hohen Umsatzeinbußen durch unvorhersehbare Wettereinbrüche. Regelmäßig neue Auflagen seitens der Bundesregierung und der damit einhergehende bürokratische Aufwand verschärfen darüber hinaus die Lage der Bauern und Winzer und machen den Beruf des Landwirts für potenziellen Nachwuchs zusätzlich unattraktiv, sodass Nachfolger ebenfalls ausbleiben.

Dadurch kommt es immer häufiger zur Schließung landwirtschaftlicher Betriebe. So hat sich die Zahl der Höfe in Deutschland in den letzten gut 25 Jahren halbiert. Allein in Niedersachen gaben zwischen 2010 und 2018 4.720 Landwirte ihren Betrieb auf; das entspricht 10 bis unter 15 % aller landwirtschaftlichen Betriebe des gesamten Bundeslandes. In Baden-Württemberg waren es im selben Zeitraum 4.700 Bauern, in Nordrhein-Westfalen 4.640. Bayern kam sogar auf 13.860 Schließungen und Rheinland-Pfalz auf Verluste von über 15 %.

Besonders betroffen von dieser Entwicklung sind vor allem kleine Höfe, die allein mit einer klassischen Landwirtschaft immer weniger Überlebenschancen haben. Eine Möglichkeit, dem wirkungsvoll entgegenzutreten und die Lebens- und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu stärken, bietet jedoch die Erschließung neuer selbstständiger Betätigungsfelder abseits der Landwirtschaft.

Kleinkind streichelt Pony.
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Eine Möglichkeit der Diversifizierung bietet das 
therapeutische Reiten.

Dazu gehören beispielsweise der Einstieg in den Tourismus und die Implementierung touristischer Leistungen, die den Gästen das Leben auf dem Bauernhof oder Weinhof näherbringt, oder der Aufbau neuer Absatzwege; etwa über einen eigenen Hofladen, Verkaufsstände auf regionalen Märkten, die Errichtung einer Bauernhof-Gastronomie, in der die eigenen Erzeugnisse verarbeitet werden, Kooperationen mit lokalen Gastronomiebetrieben oder die Eröffnung eines Partyservices.

Auch die Erweiterung des Unternehmens in einen Lern- und Erlebnisbauernhof mit entsprechendem pädagogischem Angebot, die Betätigung in der sozialen Landwirtschaft mit beispielsweise tiergestützter Therapie, die Vermietung von leer stehender Bausubstanz, die gewerbliche Unterstützung Dritter bei hauswirtschaftlichen Tätigkeiten oder Investitionen in Erneuerbare Energien und die Vermarktung des gewonnen Stroms bzw. der gewonnen Wärme stellen lukrative Erwerbskombinationen dar.

Vorteile der Diversifizierung in der Landwirtschaft

Diese Diversifizierung verschafft Bauern und Winzern die Möglichkeit, ihr Geschäft erfolgreich auf mehrere Standbeine zu stellen und unabhängiger von der Landwirtschaft agieren zu können. Das Verlustrisiko kann auf diese Weise deutlich minimiert werden.

Gleichzeitig bietet sie den Landwirten eine zusätzliche Einnahmequelle und erhöht das Interesse am Unternehmen auf Seiten potenzieller Nachfolger.

Deshalb unterstützen Bund und Länder landwirtschaftliche Betriebe mit speziellen Förderdarlehen, Subventionen und nicht rückzahlbaren Zuschüssen bei der Diversifizierung ihres Leistungsangebots.

Öffentliche Förderung durch Bund und Länder

Förderdarlehen

Für gezielte Investitionen in die Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und in touristische Angebote beispielsweise bietet die Landwirtschaftliche Rentenbank mit ihrem Förderprogramm „Umwelt- und Verbraucherschutz“ auf Bundesebene ein geeignetes Instrument. Über das zinsgünstige Förderdarlehen können bis zu 100 % der förderfähigen Kosten, max. 10 Mio. Euro je Kreditnehmer und Jahr, finanziert werden. Zusätzlich kann die Rentenbank dem Antragssteller einen Förderzuschuss von derzeit 1,50 % (Stand 13.08.2019) einräumen. Dieser entfällt auf die gesamte Darlehenssumme und wird bei Abruf des Förderdarlehens über die Hausbank an den Kreditnehmer ausgezahlt.

Die Laufzeit des Darlehens ist individuell wählbar und variiert zwischen 4 und 30 Jahren bei bis zu 3 Tilgungsfreijahren und bis zu 10 Jahren fester Zinsbindung.

Eine Beantragung des Förderdarlehens ist jedoch nicht direkt bei der Vergabestelle möglich, sondern erfolgt nach dem Hausbankprinzip über eine vom Unternehmen gewählte Bank.

Darüber hinaus können natürlich auch klassische Förderdarlehen des Bundes, wie der KfW-Unternehmerkredit für etablierte Unternehmen, oder im Rahmen von Nachfolgeregelungen die verschiedenen Gründerkredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau (bspw.: ERP-Gründerkredit – Universell) bzw. in beiden Fällen entsprechende landesspezifische Produkte für Diversifizierungsinvestitionen eines landwirtschaftlichen Betriebes herangezogen werden.

Zuschüsse

Besonders attraktiv sind zudem nicht rückzahlbare Zuschüsse der verschiedenen Bundesländer, die aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) sowie des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) kofinanziert werden und explizit auf die Diversifizierung von landwirtschaftlichen Betrieben abzielen.

Diese Zuschüsse können bundesweit und über die zuständigen Ministerien, Landwirtschaftskammern oder Landesbanken beantragt werden. Abhängig vom Bundesland sind jedoch unterschiedliche Ausgestaltungen der Förderung möglich: Das Mindestinvestitionsvolumen für entsprechende Investitionsvorhaben in Baden-Württemberg beispielsweise liegt bei 20.000 Euro, während in Brandenburg lediglich ein Mindestinvestitionsvolumen von 10.000 Euro für eine Antragsstellung aufgerufen wird.

Daher sind die Richtlinien der einzelnen Förderprogramme vor Antragsstellung eingehend zu prüfen. Ihnen kann auch entnommen werden, welche Diversifizierungsmaßnahmen im Einzelnen gefördert werden, an welche Unternehmen sich die Programme richten und in welcher Form die Förderung erfolgt.

Junger Landwirt bestückt seinen Hofladen.
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Die Implementierung neuer Vertriebskanäle wird
besonders gefördert.

So gehören zu den förderfähigen Investitionen in nichtlandwirtschaftliche Tätigkeiten beispielsweise

  • die Errichtung, der Erwerb oder die Modernisierung von Gebäuden,
  • die Erstanschaffung von neuen Maschinen und Anlagen,
  • allgemeine Aufwendungen wie Architekten- und Ingenieurleistungen, Baugenehmigungen, Beratungsgebühren, Durchführbarkeitsstudien und andere Kosten der Vorplanung, die im direkten Zusammenhang mit der Durchführung der Investition stehen,
  • der Bereich "Urlaub auf dem Bauernhof" bis zu einer Gesamtkapazität von 25 Gästebetten
    und
  • die Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher und landwirtschaftsnaher Produkte (zum Beispiel über Hofläden).

Für eine Förderung in Frage kommen dabei kleine und mittlere Unternehmen, die ihren Umsatz zu mehr als 25 % aus der Landwirtschaft generieren und die im Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte genannte Mindestgröße erzielen oder übertreffen, sowie Unternehmen, die einen landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschaften und unmittelbar kirchliche, gemeinnützige oder mildtätige Zwecke verfolgen.

Sogar Ehepartner oder mitarbeitende Familienangehörige können gefördert werden, wenn sie in direkter Nähe zum landwirtschaftlichen Betrieb eine Selbstständigkeit aufbauen oder weiterentwickeln möchten.

Gewährt die zuständige Vergabestelle eine Förderung, können sich Antragssteller über einen Zuschuss von bis zu 25 % der förderfähigen Kosten freuen.

Ein weiteres Plus für Unternehmen: Unter Einhaltung der De-minimis-Regel und der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) können Förderdarlehen und Zuschüsse miteinander kombiniert werden. Das senkt maßgeblich die anfallenden Investitionskosten für das Unternehmen und schont dessen Liquidität.

Quellen

Interviews

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