Know-how – Hätten Sie es gewusst
Geht es um die Finanzierung unternehmerischer Vorhaben mit öffentlichen Mitteln, steht oft die Frage im Raum, ob die Branche, in der das antragstellende Unternehmen agiert, überhaupt finanzielle Unterstützung erhalten kann. Zwar bestätigen Ausnahmen die Regel, grundsätzlich gilt allerdings: Jede Branche ist förderfähig!
© industrieblick, stock.adobe.com |
In der Regel sind alle Branchen förderfähig, bis auf einige Ausnahmen. |
Möchten Unternehmen von langer Hand geplante Vorhaben in die Tat umsetzen, sind sie gut beraten, öffentliche Mittel für eine nachhaltig gute Finanzierung heranzuziehen. Denn Fördermittel, d.h. Förderdarlehen, Subventionen und Zuschüsse, sind an viele Vorteile geknüpft, die die Liquidität des antragstellenden Unternehmens schonen und ihm mehr finanziellen Spielraum einräumen. Förderdarlehen etwa bieten Antragstellern lange Darlehenslaufzeiten von bis zu 20 Jahren, niedrige Zinssätze im risikogerechten Zinssystem mit einer festen Zinsbindung über die gesamte Laufzeit, Haftungsfreistellungen von bis zu 80 % sowie bis zu 7 tilgungsfreie Anlaufjahre, in denen nur die Zinsen zu zahlen sind. Während Zuschüsse und Subventionen nicht zurückgezahlt werden müssen und keiner Zustimmung einer Bank bedürfen.
Ob eine Förderung gewährt wird, hängt allerdings von zahlreichen Faktoren ab. Dazu gehört u. a. das Vorhaben, der Investitionsstandort, die Unternehmerpersönlichkeit und die Branche. Insbesondere letztere wird von vielen Unternehmen jedoch kritisch betrachtet und führt fälschlicherweise oft zu der Annahme, für die jeweilige Branche würde keine Förderung zur Verfügung stehen.
Nicht förderfähige Branchen und Sektoren
Zwar gibt es Branchen und Sektoren, die grundsätzlich nicht gefördert werden. Sie spiegeln aber nur einen Bruchteil aller Wirtschaftszeige wider und sind meist stark umstritten. Denn in der Regel handelt es sich dabei um Geschäftspraktiken und -felder, die nicht mit den ethisch-sozialen Wertvorstellungen der Vergabestellen und der nationalen wie internationalen Gemeinschaft einhergehen.
Welche dies sind, darüber geben die Ausschlusslisten der Vergabestellen Auskunft. So sieht beispielsweise die Europäische Investitionsbank von der Terrorismus-Finanzierung, der Finanzierung von Glücksspiel, von moralisch-ethisch verwerflichen Vorhaben sowie von Vorhaben im Bereich der Waffen- und Tabakindustrie ab.
Ähnlich positionieren sich auch andere Vergabestellen. Die Verteidigungs- und Waffenindustrie, die Glücksspielbranche, kontroverse Geschäftsaktivitäten in den Bereichen Umwelt, Natur und Lebewesen, die Produktion von und der Handel mit bestimmten Substanzen, gewisse Teile des Handels mit Lebewesen, kontroverse Energieerzeugung und die Embryonenforschung werden beispielsweise von der Kreditanstalt für Wiederaufbau und der NRW.Bank in der Regel nicht finanziell unterstützt.
Verteidigungs- und Waffenindustrie
Vorhaben im Bereich der Verteidigungs- und Waffenindustrie sind grundsätzlich von einer Förderung ausgeschlossen; insbesondere die Herstellung, der Handel, die Reparatur und die Lagerung kontroverser Waffen oder wichtiger Komponenten hiervon, wie Streubomben, atomare, biologische oder chemische Waffen (ABC-Waffen), Antipersonenminen, radioaktive Munition, angereichertes Uran, Massenvernichtungswaffen oder andere völkerrechtlich geächtete Waffen.
Glücksspiel
Ebenfalls von einer Förderung ausgeschlossen ist Glückspiel, welches nicht im Sinne des deutschen Glücksspielstaatsvertrags konzessioniert wurde.
Kontroverse Geschäftsaktivitäten in den Bereichen Umwelt, Natur und Lebewesen
Investitionen, die absehbare irreparable Schäden der Umwelt zufolge haben und etwa zu der Zerstörung oder erheblichen Beeinträchtigung von besonders schützenswerten Gebieten führen, sind nicht förderfähig, sofern keine angemessene Kompensation nach internationalen Standards vorgesehen ist.
Auch die Zerstörung der Biodiversität stellt ein Ausschlusskriterium dar.
Substanzen
Eine Beantragung von Fördermitteln schlägt außerdem fehl, wenn sich der Antragsteller im Segment Produktion oder Handel von Produkten/Aktivitäten bewegt, die gemäß Rotterdammer Konvention, Stockholmer Konvention, WHO „Pharmaceuticals: Restrictions in Use and Availability“, Montrealer Abkommen und Basler Konvention nationalen bzw. internationalen Ausstiegs- und Verbotsbestimmungen unterliegen. Hierunter fallen die Produktion und der Handel mit bestimmten Pharmazeutika, Pestiziden, Herbiziden sowie anderen giftigen Substanzen, Ozon zerstörenden Substanzen und der grenzüberschreitende Handel mit Abfällen.
Weiterhin von einer Förderung ausgeschlossen sind die Herstellung und der Handel mit chlororganischen Massenprodukten, hormonverändernden Chemikalien sowie Bioziden und die Produktion von und/oder der Handel mit radioaktivem Material und ungebundenem Asbest.
Lebewesen
Nicht gefördert werden die Haltung von Tieren für die Pelzproduktion und -verarbeitung sowie der Handel mit geschützten Tieren und Pflanzen bzw. daraus hergestellten Produkten gemäß CITES / Washingtoner Artenschutzabkommen.
Ferner lohnt keine Antragstellung bei destruktiven Fangmethoden oder der Verwendung von Treibnetzen mit mehr als 2,5 km Länge in der Hochseefischerei sowie bei Intensivtierhaltung, die als nicht artgerecht eingestuft wird.
Kontroverse Energieerzeugung
Ebenfalls einer Förderung entgegen stehen Maßnahmen für den Betrieb von Atomkraftwerken und Uranminen, Maßnahmen im Bereich der Prospektion, Exploration und des Abbaus von Kohle sowie der hierfür notwendigen Infrastruktur und der unkonventionellen Prospektion, Exploration und der Gewinnung von Öl aus Ölschiefer, Teer- oder Ölsanden.
Auch Vorhaben zur unkonventionellen Prospektion, Exploration und dem Abbau von Gas können nicht finanziert werden, ebenso wenig wie der Bau von Staudämmen und Kraftwerken in besonders schützenswerten Gebieten.
Embryonenforschung
Aus ethischen Gründen sind darüber hinaus Embryonenforschungen nicht förderfähig, die keine Genehmigung durch die zuständigen Ethikkommissionen erfahren haben.
Unternehmen mit kontroversen Geschäftspraktiken
Die Leitlinien der NRW.Bank schließen zudem Unternehmen von einer Förderung aus, welche umstrittenen Geschäftspraktiken nachgehen. Dazu gehören Unternehmen, die Menschenrechtsverletzungen oder systematische bzw. diskriminierende Arbeitsrechtsverletzungen begehen, die gegen das Bundesnaturschutzgesetz verstoßen oder Schädigungen der Umwelt gemäß des Umweltschadensgesetzes zulassen. Außerdem sind Unternehmen, die durch unethische Wirtschaftspraktiken (Korruption, Bestechung, Betrug, Bilanzfälschung, etc.) auffallen, ebenso wenig antragsberechtigt, wie solche Unternehmen, die Kinder zur Bewältigung ihrer Arbeit einsetzen oder Tierversuche außerhalb des gesetzlichen Rahmens nach §7a TierSchG durchführen.
Grauzonen in der Förderlandschaft
Es gibt jedoch auch Ausnahmen. Unter gewissen Voraussetzungen können einige der genannten Branchen und Segmente trotzdem eine Förderung erhalten.
Substanzen
Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn radioaktive Materialien im Rahmen der Anschaffung von Medizingeräten, von Geräten zur Qualitätskontrolle oder für andere relevante Anwendungen eingesetzt werden und diese unbedeutend und/oder im entsprechenden Maß abgeschirmt sind. Unter diesen Umständen stellt die Verwendung radioaktiver Materialien kein Hindernis für eine Förderung dar.
Auch der Erwerb oder die Nutzung von Zementverschalungen mit gebundenem Asbest und einem Asbestanteil von weniger als 20 % ist förderfähig.
Kontroverse Energieerzeugung
Selbst Finanzierungen von Maßnahmen an bestehenden Atomkraftwerken und Uranminen sind mit öffentlichen Mitteln möglich, sofern das avisierte Projekt positiv auf die Umwelt einwirkt und Umweltgefahren reduziert werden.
Die Energiegewinnung aus Kohle kann gefördert werden, wenn die avisierten Maßnahmen der Reduzierung von Umweltgefahren oder der Erzeugung von Umweltverbesserungen durch vorhandene Bestandsanlagen dienen. Länder und Regionen, die eine ambitionierte nationale Klimaschutzpolitik bzw. -strategie verfolgen, können dadurch finanzielle Unterstützung bei Investitionen in Stromübertragungsnetze mit wesentlicher Kohlestromeinspeisung erhalten oder auch dann, wenn die geplanten Vorhaben der Senkung des Kohlestromanteils im betreffenden Netz dienen.
In Entwicklungsländern ist es sogar möglich, Heizwerke und Kraft-Wärme-Kopplung, die zum Großteil mit Kohle befeuert werden, mitzufinanzieren, wenn sie einen besonders hohen Nachhaltigkeitsbeitrag leisten, nachweislich keine klimafreundlicheren Alternativen existieren und Umweltgefahren reduziert werden. Die Finanzierung derartiger Vorhaben ist jedoch an eine strenge Einzelfallentscheidung gekoppelt und wird nicht pauschal positiv entschieden.
Maßnahmen im Gassektor sind darüber hinaus förderfähig, wenn sichergestellt wird, dass durch das Vorhaben keine materielle Grundwasserabsenkung oder -verunreinigung zu erwarten ist, dass im Rahmen des Vorhabens Vorkehrungen zum Schutz der natürlichen Ressourcen und zum Recycling getroffen werden und dass bei den Bohrungen entsprechende Technologie eingesetzt wird, die in integrierte Verrohrung der Bohrung und Drucktest beinhaltet.
Die Rolle interner Richtlinien bei Hausbanken und Vergabestellen
Die Annahme, für viele Branchen gäbe es keine Förderung, ist somit nicht richtig. Klassische Branchen, d.h. Handwerk, Industrie, Dienstleistungsgewerbe, Gastronomie etc., werden unter Berücksichtigung weiterer Faktoren und Verordnungen (De-minimis-Regel, AGVO, etc.) in der Regel immer gefördert.
Da die Vergabe von Förderdarlehen zumeist nach dem Hausbankprinzip erfolgt und der Darlehensantrag nicht direkt bei der Vergabestellen erfolgt, kann es allerdings passieren, dass das Vorhaben investitionswilliger Unternehmen aufgrund des vorhandenen Branchenmix der Finanzinstitute bereits im ersten Schritt des Beantragungsprozesses abgelehnt wird. Zumeist ist das Kundenpotenzial für bestimmte Branchen dann bereits erschöpft oder eine Zusammenarbeit mit bestimmten Branchen nicht mehr gewünscht.
Zusätzlich spielen die internen Richtlinien der einzelnen Vergabestellen eine Rolle bei der Entscheidung, ob öffentliche Fördermittel für eine spezielle Branche zur Verfügung stehen oder nicht. Diese Richtlinien werden nicht offiziell bekanntgegeben und können nur auf individuelle Nachfrage hin recherchiert werden. Das bedeutet jedoch auch: Lehnt eine Vergabestelle eine Förderung branchenbedingt ab, kann eine andere durchaus über passende Fördertools verfügen und das vom Unternehmen avisierte Projekt begleiten wollen. Dies ist dann oft individuelle Auslegungssache und durch die unterschiedliche Bewertung der Branchen bedingt.
Gesundheitsschädliches Genussmittel oder Agrarprodukt?
Exemplarisch verdeutlichen lässt sich das am Beispiel der Tabakindustrie. Die Produktion und Verarbeitung von Tabak wird von vielen Richtlinien und Vergabestellen grundsätzlich von einer Förderung ausgeschlossen. Denn der Genuss von Tabak gilt als besonders gesundheitsschädlich. Er ist krebserregend, ist häufig Ursache für die schwere Lungenkrankheit COPD und fördert auch andere Krankheiten und physische Beschwerden. Daher ist es sehr schwer für Branchenvertreter, Zugang zu öffentlichen Fördermitteln zu erhalten.
Auf der anderen Seite wertet die Landwirtschaftliche Rentenbank Tabak als landwirtschaftliches Erzeugnis. Aus diesem Grund ordnet sie ihn der Agrar- und Ernährungswirtschaft zu und unterstützt Unternehmen finanziell, die mit Investitionen ihre Tätigkeit im Bereich der Verarbeitung und Produktion von Tabak im Bundesgebiet intensivieren möchten. Vorausgesetzt, die Erzeugnisse sind nicht ausschließlich für den Eigenbedarf, Freundes-, Familien- und Bekanntenkreis gedacht, sondern es liegt eine eindeutige Gewinnerzielungsabsicht vor.
Selbiges gilt sogar für den Anbau und die Verarbeitung von Hanf/Cannabis, solange die Erzeugnisse nicht als Rausch- und Betäubungsmittel Verwendung finden und ebenfalls eine Gewinnerzielungsabsicht vorliegt. Denn aus Hanf können auch Seile gefertigt, Speise- und ätherische Öle gewonnen sowie Arzneimittel hergestellt werden.
Quellen
- Ausschlussliste der Kreditanstalt für Wiederaufbau | PDF-Download
- Anwendungsliste Nachhaltigkeitsleitlinien der NRW.Bank | PDF-Download