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Die Förderung regionaler Entwicklung gehört zu den Kernaufgaben der EU. Daher werden jährlich mehrere Milliarden Euro des EU-Haushalts für die europäische Kohäsionspolitik aufgewendet. Aber wie identifiziert die EU, welche Regionen förderwürdig sind? Dafür hat Eurostat die NUTS-Klassifikation entwickelt.

Fahne der EU mit menschlichen Silhouette.
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Mit der NUTS-Klassifikation hat das Statistische Amt der EU ein ideales Tool zur grenzüberschreitenden Vergleichbarkeit von Regionen entwickelt.

Neben der Verfechtung einer europäischen Wertegemeinschaft und anderen Aufgaben verfolgt die Europäische Union seit 1986 eine europaweite Kohäsionspolitik mit dem Ziel, vorhandene wirtschaftliche Ungleichheiten zwischen den Mitgliedstaaten systematisch zu beheben und die Lebensqualität sowie Wirtschaftskraft in rückständigen Regionen zu stärken.

Dafür setzt die EU jährlich Mittel in Milliardenhöhe ein. Allein im Rahmen der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds, kurz ESI-Fonds, wurden den Mitgliedstaaten in der aktuellen Förderperiode (2014-2020) rund 454 Mrd. Euro an Zuschüssen zur Entwicklung und Implementierung von Bundes- und Landes-Förderprogrammen bereitgestellt.

Das Ausmaß der Förderung je Mitgliedsland und Region macht die EU dabei an dem Grad der Wirtschaftskraft fest. Sie unterscheidet zwischen stärker entwickelten Regionen (BIP pro Kopf > = 90 % des EU-Durchschnitts), Übergangsregionen (BIP pro Kopf > = 75 % < 90 % des EU-Durchschnitts) und weniger entwickelten Regionen (BIP pro Kopf < 75 % des EU-Durchschnitts) und beruft sich dazu auf verschiedene Kohäsionsindikatoren.

Als solche werden unter anderem das Bruttoinlandsprodukt, die Arbeitslosen- und Beschäftigungsquote, der Bildungsstand in der Bevölkerung, die Ab- und Zuwanderung oder die Bevölkerungsdichte gewertet.

Damit die verschiedenen Landesregionen Europas jedoch grenzübergreifend vergleichbar gemacht und statistisch ausgewertet werden können, bedarf es einer einheitlichen Bemessungsgrundlage. Denn allein fixe Parameter ermöglichen eine vergleichbare Ausgangssituation und somit eine europaweit gültige Systematisierung bzw. Klassifizierung von Regionen unterschiedlicher Länder.

Aus diesem Grund hat das Statistische Amt der Europäischen Union, kurz Eurostat oder ESTAT, Anfang der 1970er Jahre die Nomenclature des unités territoriales statistiques, kurz NUTS, entwickelt. Die NUTS-Klassifikation sieht die geographische Untergliederung der verschiedenen Wirtschaftsräume der EU vor und orientiert sich dazu in erster Linie an den gegebenen Verwaltungseinheiten der einzelnen Mitgliedsstaaten, um ein hohes Maß an Datenverfügbarkeit und Umsetzbarkeit zu gewährleisten.

Stapelbetrachtung der NUTS-Ebenen.
© eurostat
Die NUTS-Ebenen machen verschiedene
EU-Regionen statistisch vergleichbar.

Charakteristika der NUTS-Klassifikation

Gleichzeitig werden die EU-Länder auf mehrere Hierarchieebenen heruntergebrochen, die mit jeder höheren Ebene eine detailliertere Betrachtung der sozioökonomischen Situation vor Ort zulassen.

Die Basis für die Zuordnung einer Region zu einer bestimmten Hierarchieebene bildet die Bevölkerungszahl. Die NUTS-1-Ebene definiert demnach größere Landesteile mit einer Einwohnerzahl zwischen 3,0 und 7,0 Mio., während zur NUTS-2-Ebene alle mittelgroßen Regionen eines Landes mit 800.000 bis 3,0 Mio. Einwohnern und zur NUTS-3-Ebene alle kleineren Regionen mit 150.000 bis 800.000 Einwohnern zählen.

Bedingt durch die verhältnismäßig großen Spannweiten der festgesetzten Bevölkerungsober- und -untergrenzen kommt es so allerdings noch immer zu beträchtlichen Unterschieden zwischen den einzelnen Regionen innerhalb einer NUTS-Ebene.

Außerdem erweisen sich die angegebenen Bevölkerungsober- und -untergrenzen oft nur als Richtwerte. Die Größe derjenigen Regionen, die den administrativen NUTS-Ebenen angehören, muss nur im Schnitt innerhalb der Schwellenwerte liegen. Für die Regionen der nicht-administrativen Ebenen ist die Einhaltung der festgelegten Ober- und Untergrenzen zwar grundsätzlich Pflicht. Aber auch hier gibt es Ausnahmen, die beispielsweise geografisch, sozioökonomisch, historisch, kulturell oder ökologisch bedingt sind.

Dies führt dazu, dass in manchen Fällen einer Region sogar mehrere Ebenen zugewiesen werden. Luxemburg etwa ist sowohl NUTS-1- als auch NUTS-2- und NUTS-3-Ebene und in Deutschland sind die Bundesländer Berlin, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und das Saarland als NUTS-1- wie auch als NUTS-2-Region deklariert.

Dennoch hilft die NUTS-Klassifikation durch ihre Systematisierung dabei, verschiedene Regionen unterschiedlicher EU-Mitgliedstaaten länderübergreifend miteinander in Relation zu setzen und eine Grundlage für die europäische Kohäsionspolitik zu schaffen.

Aktuell beinhaltet das Register 104 NUTS-1-Regionen, 281 NUTS-2-Regionen und 1.348 NUTS-3-Regionen (NUTS-2016-Klassifikation, in der aktuellen Fassung gültig ab 01.01.2018).

Für die Bestimmung, ob eine Region vor dem Hintergrund der europäischen Kohäsionspolitik förderwürdig ist, wird jedoch nur die NUTS-2-Ebene herangezogen.

Die LAU-Ebene

Neben den NUTS-Ebenen hat Eurostat außerdem die sogenannte LAU-Ebene zur Darstellung der lokalen Verwaltungseinheiten (LAU = Local Administrative Units) eingeführt. Sie geht zurück auf die ehemaligen NUTS-4- und NUTS-5- (bis 2003) bzw. LAU-1- und LAU-2-Ebenen (bis 2017) und beinhaltet alle insgesamt rund 120.000 Gemeinden und Kommunen der europäischen Mitgliedstaaten.

Die LAU-Ebene ist somit als detailliertere Betrachtungsstufe der NUTS-3-Ebene zu bewerten und bildet den Grundstock der NUTS-Klassifikation. Sie ist mit NUTS hundertprozentig kompatibel und dient der Realisierung statistischer Auswertungen auf lokaler Ebene.

Im Gegensatz zu den NUTS-Regionen werden die LAUs allerdings weitaus häufiger geändert. Eine Übermittlung ihrer LAUs an Eurostat durch die EU-Mitgliedsstaaten inklusive Bevölkerungszahl und Gesamtfläche ist, sofern vorhanden, daher per NUTS-Verordnung festgelegt und schlägt sich jeweils zum Ende eines Jahres in einer aktualisierten Liste nieder.

Änderungen der NUTS-Klassifikation

Territoriale Grenzverschiebungen oder Änderungen bei den administrativen Zuständigkeiten innerhalb eines Landes machen es allerdings auch notwendig, regelmäßig neue Verordnungen zu erlassen, die die bestehende NUTS-Systematik aktualisieren.

Damit eine statistische Vergleichbarkeit über einen gewissen Zeitraum gegeben ist, ist dieser Änderungsturnus alle drei Jahre vorgesehen. Denn ein bestimmtes Maß an Beständigkeit ist gerade für die Erstellung von Zeitreihen von enormer Relevanz.

Nur einmal hat es seit der Implementierung der NUTS-Klassifikation und dem Inkrafttreten der ersten NUTS-Verordnung im Juli 2003 – vorher basierte die Datenerhebung rund 30 Jahre auf mehreren Gentlemen’s Agreements – eine Abweichung von diesem Rhythmus gegeben, als Portugal 2014 seine administrative Gebietsunterteilung tiefgreifend reorganisierte.

Derzeit gültig ist die fünfte reguläre Änderung der NUTS-Verordnung, die NUTS-2016-Klassifikation. Diese wird jedoch zum 01.01.2021 von der bereits am 08.08.2019 in Kraft getretenen NUTS-2021-Klassifikation abgelöst. In diesem Zusammenhang wird die NUTS-2-Ebene von 281 auf 283 Regionen aufgestockt und die NUTS-3-Ebene von 1.348 auf 1.345 Regionen reduziert werden. Änderungen an der NUTS-1-Ebene sind nicht geplant.

Die NUTS-0-Ebenen.
© eurostat
Die NUTS-0-Ebenen.

Die Codierung der NUTS-Ebenen

Dass es innerhalb der NUTS-Ebenen nicht zu Verwechslungen bei den Regionen kommt, gewährleistet ein ausgeklügeltes Codierungsprinzip.

Jede NUTS-Region innerhalb einer NUTS-Ebene besitzt eine spezifische Kennung bestehend aus Ländercode, Zahlen- und Buchstabenkombinationen, welche eine eindeutige Identifikation garantiert.

Beispiel Deutschland

Deutschland ist innerhalb der Länderebene NUTS-0 über den Ländercode DE ausgewiesen.

NUTS-1- und NUTS-2-Ebenen in Deutschland.
© eurostat
NUTS-1- und NUTS-2-Ebenen in
Deutschland.

Die Regionen der NUTS-1-Ebene entsprechen hierzulande der Systematik der Bundesländer. Sie sind zusätzlich zum Ländercode als übergeordnetem Element mit einer weiteren Ziffer bzw. einem weiteren Buchstaben versehen. So ist Bayern unter der Kennung DE2, Berlin unter der DE3, Hamburg unter der DE6, Nordrhein-Westfalen unter der DEA und Schleswig-Holstein unter der Kennung DEF klassifiziert.

Die Regionen der NUTS-2-Ebene gehen deutschlandweit mit den Regierungsbezirken kongruent und sind im NUTS-Code durch ein viertes Symbol, eine Ziffer, gekennzeichnet. Für die 7 bayrischen Regierungsbezirke etwa gilt: Oberbayern = DE21, Niederbayern = DE22, Oberpfalz = DE23, Oberfranken = DE24, Mittelfranken = DE25, Unterfranken = DE26 und Schwaben = DE27.

NUTS-3-Ebene in Bayern.
© eurostat
NUTS-3-Ebene in Bayern.

Die Regionen der NUTS-3-Ebene fallen in Deutschland mit den Kreisen und den kreisfreien Städten zusammen. Zur Differenzierung werden die NUTS-Codes der übergeordneten NUTS-2-Regionen um einen weiteren Buchstaben bzw. eine weitere Ziffer ergänzt. Im äußersten Fall kommt der Code damit auf eine fünfstellige Kombination aus Ziffern und Buchstaben, die eine einwandfreie Zuweisung ermöglichen. Dem Regierungsbezirk Mittelfranken untergeordnete Kreise sind beispielsweise Ansbach mit der Kennung DE256 oder Weißenburg-Gunzenhausen mit der Kennung DE25C.

Tipp der Redaktion:

Wer erfahren möchte, welcher NUTS-Ebene sein Unternehmensstandort oder der Standort des geplanten Investitionsvorhabens angehört, der wird auf der Eurostat-Homepage fündig. Dort ist für jeden EU-Mitgliedstaat eine Korrespondenztabelle hinterlegt, aus der bei Eingabe der Postleitzahl der zugehörige NUTS-3-Code hervorgeht.


Quellen

Interviews

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