Know-how - Das Einmaleins der Förderwelt

Nicht nur die europäischen Statistiker gliedern die Wirtschaftszweige in Codes und Bezeichnungen. Auch das Statistische Bundesamt bietet in seiner Klassifikation Orientierungshilfen für die Erfassung wirtschaftlicher Aktivitäten auf dem Bundesgebiet. Dies ist keine lebensferne Zahlenspielerei, sondern bringt unmittelbaren Nutzen für Unternehmer.

Aufstrebender Pfeil mit Deutschlandfahne im Hintergrund.
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Statistische Erhebung und wirtschaftlicher Aufschwung gehören untrennbar
zusammen.

Auf europäischer Ebene sorgt die NACE (Nomenclature statistique des activités économiques dans la Communauté européenne) für die vergleichbare Erfassung der verschiedenen Prozesse und Aktivitäten im europäischen Wirtschaftsraum. Die dort erreichte Standardisierung war ein großer Fortschritt für die statistische Arbeit und damit für die Bildung einer gemeinsamen Sicht auf die Dinge überhaupt. Denn wo Menschen eine Sicht auf die Welt teilen, entstehen enge und stabile Gemeinschaften.
Bereits die NACE-Kodierung bietet dem Anwender eine Fülle von unterteilten Wirtschaftszweigen. Diese erfassen die gesamteuropäische Situation. Um jedoch auch den nationalen Bedürfnissen gerecht zu werden, die geschichtlich oder räumlich bedingte Anpassungen verlangen können, bietet das System schon aus sich heraus die Möglichkeit der Ergänzung und Fortführung.

Ein Blick in die Geschichte

Die Anfänge der systematischen Erfassung wirtschaftlicher Aktivitäten in der Bundesrepublik gehen zurück in die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg. Im Jahr 1950 war es nötig geworden, die erheblich geschwächten Wirtschaftsstrukturen zunächst systematisch zu erfassen, um sie danach zielgerichtet wieder aufbauen zu können. Hierfür hat das damals noch junge Statistische Bundesamt das systematische Verzeichnis der Arbeitsstätten entwickelt. Damals waren die Fragen nach dem Prozess selbst (Handel — Dienstleistung — Produktion?), der Produktions- bzw. Handelsstufe und der Art der Waren bzw. Dienstleistungen leitend.

Was anfänglich einen guten Einstieg bot, erwies sich bald als ausbaufähig. Das bedeutet aber zugleich: Die statistische Erfassung der wirtschaftlichen Aktivitäten konnte ihren Wert für Politik und Wirtschaft in kurzer Zeit behaupten! 1961 wurde die erste Systematik der Wirtschaftszweige (WZ, heute: Klassifikation der Wirtschaftszweige) veröffentlicht. Sie berücksichtigte zusätzlich zu dem Modell von 1950 die Stellung der wirtschaftlichen Einheit (Betrieb, Unternehmen, sonstige Institution) innerhalb des Wirtschaftsablaufs und deren Entgeltlichkeit bzw. Gewinnerzielung.

Bis in die 70er Jahre kochte man in Westdeutschland sein eigenes statistisches Süppchen. Die Frage nach der internationalen Vergleichbarkeit nahm jedoch parallel zu den politischen Entwicklungen der Zeit an Bedeutung zu. Erste Seitenblicke auf UNO-Standards flossen darum in die Ausgabe der WZ von 1979 ein. Die große Änderung brachte jedoch die vollständige Übernahme der NACE Rev. 1 im Jahr 1993 mit sich. Die bundesdeutsche Berücksichtigung der Institutionen entfiel hierbei komplett, dafür konnten die nationalen Bedürfnisse auf einer zusätzlichen Gliederungsebene untergebracht werden.

Die aktuellste Ausgabe der WZ stammt aus dem Jahr 2008. Sie brachte die nationale Klassifikation auf den Stand der zweiten Revision der NACE. Die Dialoge zwischen den nationalen Ebenen und den europäischen Statistikern hatten zu der Einsicht geführt, dass viele ehemals als national betrachtete Phänomene inzwischen zu gesamteuropäischen Merkmalen geworden waren. So konnten die benötigten Eigenunterscheidungen der Staaten reduziert und auf den höheren Ebenen der NACE selbst angesiedelt werden.

Die Kodierung der Klassifikation der Wirtschaftszweige

Wie die NACE-Kodierung besteht der Code der bundesdeutschen WZ aus verschiedenen Stellen: An erster Stelle steht ein Buchstabe für den Abschnitt, gefolgt von der Abteilung als Ziffer. Ihr folgt ein Trennpunkt. Danach stehen Ziffern für Gruppe und Klasse. Ein weiterer Trennpunkt markiert den Wechsel zur nationalen Ebene, der ebenfalls bezifferten Unterklasse.

Zu beachten sind zwei kleine, aber Fehler erzeugende Besonderheiten: Der Buchstabe des Abschnitts wird in der Regel nicht ausgeschrieben, weil die Abteilungen fortlaufend nummeriert und damit ihre Zugehörigkeiten eindeutig sind. Zum anderen besteht die zweite Stelle (Abteilung) aus zwei Ziffern. Die folgenden Stellen weisen jeweils nur eine Ziffer auf. Um hier immer zu wissen, welche Zahl zu welcher Stelle gehört, ist die Beachtung der Trennpunkte wichtig.

Aber sehen wir uns einfach mal ein Beispiel an! Ein Betrieb (wirtschaftliche Einheit) fertigt – der Einfachheit halber – ausschließlich Wäsche. Auf europäischer Ebene bekommt er damit den Code 14.14:

  • Abschnitt: C — Verarbeitendes Gewerbe
    • Abteilung: 14 — Herstellung von Bekleidung
      • Gruppe: 1 — Herstellung von Bekleidung (ohne Pelzbekleidung)
        • Klasse: 4 — Herstellung von Wäsche

Die nationale Wirtschaftslandschaft macht es allerdings nötig, auch diese Klasse noch weiter zu differenzieren, weil hier drei Kleinzweige nennenswerte wirtschaftliche Relevanz haben:

  1. Herstellung von gewebter Wäsche (ohne Miederwaren)
  2. Herstellung von gewirkter und gestrickter Wäsche (ohne Miederwaren)
  3. Herstellung von Miederwaren

Unser Beispielbetrieb ist eine kleine Weberei, die sich auf ökologische und regional erzeugte Stoffe spezialisiert hat. Sie bekommt daher die Unterklasse 1 und den WZ-Code 14.14.1.

Obwohl das nationale Gliederungsbedürfnis die europäische Vorgabe noch weiter ausbaut, kommen keine Widersprüche zustande. Auf der sog. höheren Aggregationsebene (lat. aggregāre: zur Herde scharen) derjenigen also, die hierarchisch über der zum Ende hin betrachteten steht, ist die nationale Unterklasse immer sachgemäß erfasst — wenn auch in gröberer Zuordnung.

Zuordnung einer wirtschaftlichen Einheit: Die Haupttätigkeit

In unserem Beispiel haben wir es uns einfach gemacht: Der Betrieb hatte nur eine einzige Tätigkeit, anhand derer die Zuordnung zum Wirtschaftszweig erfolgen konnte. Die wirtschaftliche Realität jedoch sieht oft anders aus. Viele Unternehmen haben mehrere Produktionsschritte in ihrer Wertschöpfungskette. Manche erzielen auch nicht nur ein Ergebnis, sondern fertigen verschiedene, mehr oder weniger verwandte Produkte. Und wieder andere haben neben ihrer Produktions- auch noch eine große Vertriebs- und Logistikabteilung anhängig.

Alle Zwischenschritte in der Wertschöpfungskette sind relativ schnell auszuscheiden. Was keinen endlichen wirtschaftlichen Wert im Sinne der Unternehmensabsicht erzeugt, also etwa nicht in den Vertrieb kommt, sondern nur für die Produktionskette Bedeutung hat, ist eine Hilfstätigkeit und als solche dem Gesamtprozess unter- und eingeordnet.

In allen anderen Fällen muss unterschieden werden zwischen der Haupt- und den Nebentätigkeiten. Die Haupttätigkeit nach den Kriterien der WZ 2008 ist diejenige, die den verhältnismäßig größten Beitrag zur Wertschöpfungskette liefert. In einer Buchhandlung beispielsweise, die über die Bücher hinaus noch Schreibbedarf sowie verschiedene Geschenkartikel anbietet und einen kleinen Café-Bereich betreibt, wäre der Hauptertrag immer noch das Geschäft mit den Büchern. Sie bekommt den WZ-Code 47.61.0.

Was aber passiert, wenn die Wertschöpfung eines Unternehmens sich nicht auf den ersten Blick eindeutig auf eine Haupttätigkeit zurückführen lässt? Nehmen wir wieder ein Beispiel! Ein großer Maschinenbauer produziert in verschiedenen Unterklassen gruppierte Maschinen: Bergwerksmaschinen, Baumaschinen, Maschinen zur Verarbeitung von Papier und dergleichen mehr. Aufgrund seiner Geschichte und der inhaltlichen Verwandtschaft hat der Maschinenbauer jedoch auch eine Abteilung zur Fertigung von metallenen Behältnissen wie Eimern, Trommeln und Fässern. Außerdem betreibt er selbst den Großhandel mit seinen Produkten und hat ein eigenes Ingenieursbüro, in dem technische Innovationen entwickelt werden, die mit dem Maschinenbau zu tun haben.

Vergleicht man die Aktivitäten nur auf der Stufe der Unterklasse, also auf dem höchsten Differenzierungsgrad, macht der Großhandel den größten Anteil an der Wertschöpfung des Unternehmens aus. Aber wir haben doch von einem Maschinenbauer gesprochen. Wäre also Maschinengroßhändler treffender?

Zur Bestimmung der Haupttätigkeit werden die jeweiligen Ebenen miteinander verglichen (sog. Top-down-Methode). In einem ersten Schritt muss daher der Wertschöpfungsanteil der drei Abschnitte verglichen werden, die das Unternehmen abbildet:

C — Verarbeitendes Gewerbe: 52 %
G — Handel; Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen: 34 %
M — Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen: 14 %

Auf den ersten Blick ist zu erkennen, dass der Anteil der Verarbeitung in unserem Beispielunternehmen deutlich überwiegt. Darum werden die anderen Abschnitte schon jetzt außer Acht gelassen und als Nebentätigkeiten des Unternehmens klassifiziert, auch wenn der Handel einen erheblichen Anteil an der Gesamtwertschöpfung hat.

Auf der nächsten Ebene, der Abteilung, überwiegt der Maschinenbau gegenüber der Metallverarbeitung usf., bis schließlich als Haupttätigkeit des Unternehmens die Unterklasse 28.92.2 herauskommt: Herstellung von Bau- und Baustoffmaschinen. Diese hat zwar in der Gesamtwertschöpfung nur einen Anteil von 12 % und damit weniger als Großhandel und Ingenieursbüro. Durch die Aggregation bis hinauf zum Löwenanteil des verarbeitenden Gewerbes repräsentiert sie aber sachgemäß die Hauptbeschäftigung des Unternehmens.

Nutzen für Unternehmer

„Wissen nutzen“ lautet das Motto des Statistischen Bundesamtes (Destatis). Wer über die Marktsituation seiner Branche und seiner Region Bescheid weiß, kann sich frühzeitig auf kommende Entwicklungen einstellen und damit Mitbewerbern gegenüber einen entscheidenden Vorteil haben. Bei jeder Expansion an einen neuen Standort spielt die dort vorhandene Wirtschaftssituation eine Rolle, die sich durch allgemein zugängliche statistische Werte abbilden und einschätzen lässt. Auch für die Verhältnismäßigkeit der Abläufe innerhalb des eigenen Unternehmens bieten die Statistiken des Bundes wertvolle Anhaltspunkte.

Destatis stellt hierfür seine umfangreiche Online-Datenbank GENESIS zur Verfügung. Die Benutzung bedarf einer gewissen Einarbeitung. Wer jedoch die Klassifikation der Wirtschaftszweige kennt und ihren Code entziffern kann, hat schon einmal die halbe Miete für die erfolgreiche Benutzung der Bundesstatistik eingefahren. Denn auch hier sind die Zahlen und Fakten der Wirtschaftsbereiche in Anlehnung an die WZ 2008 gegliedert.

Zugleich bedeutet ein grundständiges Wissen um die Methoden der Klassifikation der Wirtschaftszweige eine Orientierung innerhalb der verschiedenen Branchen und ihrer Verwandtschaft. Bereits ihre Gliederung ermöglicht damit einen profunden Einblick in benachbarte Wirtschaftszweige und deren logische Zusammenhänge, der sonst nur durch Expertenwissen oder umfangreiche Textpublikationen zu erlangen wäre.

Quellen

Interviews

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