Know-how - Das Einmaleins der Förderwelt

Hierzulande ist er kaum bekannt und nur wenige deutsche Förderprogramme nehmen auf ihn Bezug — befasst sich aber ein Unternehmer mit Markt, Wettbewerb und Vergleich seines Betriebs auf internationaler Ebene, taucht bei der Suche nach Kennzahlen bald eine mehrstellige Ziffernkombination auf: der sogenannte NACE-Code.

Aus der Länderkarte der Europäischen Union wird ein großes Aktenschließfach mit Unterlagen und Daten herausgezogen.
©alexlmx, Fotolia.com
Europa bildet auch eine Gemeinschaft aus Daten.

Das wirtschaftsstatistische Erfassungssystem der EU

NACE, das bedeutet Nomenclature statistique des activités économiques dans la Communauté européenne und heißt zu Deutsch: Statistische Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft. Es handelt sich also um ein maßgebliches Klassifizierungssystem der Europäischen Union.

Sicherlich, das System ist unter deutschen Unternehmern nicht flächendeckend verbreitet – zu Unrecht:  An internationalen Standards orientiert, leistet gerade diese Systematik eine hohe Vergleichbarkeit.

Das NACE leitet die Erfassung und Darstellung weiter Teile des Europäischen Statistischen Systems (ESS) an. Dieser Apparat besteht in leitender Funktion aus dem Statistischen Amt der Europäischen Union (Eurostat) und nachgeordnet den nationalen Statistikämtern. Zu diesen Partnern zählen neben den 27 EU-Mitgliedern auch noch die aktuellen Beitrittskandidaten sowie die Mitglieder der Europäischen Freihandelszone.

Auf diesem Wege bietet Eurostat freizugänglich eine große Auswahl an Daten in verschiedensten Bereichen der Wirtschaftsstatistik, von Produktion und Beschäftigung über Unternehmensgröße einzelner Wirtschaftszweige bis hin zu volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen.

NACE und die Entwicklung eines europäischen Binnenmarktes

Der Ursprung und die ersten Vorläufer der NACE gehen auf den europäischen Einigungsprozess und die 1960er Jahren zurück. Aber erst mit der Übernahme der Standardklassifikation der Wirtschaftszweige (ISIC), eine Entwicklung unter der Schirmherrschaft der Statistikkommission der Vereinten Nationen, erreichte die NACE ab 1989 internationale Vergleichbarkeit: Traditionelle, nationale Klassifizierungssysteme wurden seither in einem internationalen Rahmen harmonisiert.

Politisch zielte das Projekt auf die Entwicklung eines gemeinsamen europäischen Binnenmarktes ohne Wettbewerbsverzerrungen. Dazu braucht es zuverlässig genormte, vergleichbare Daten für alle Marktteilnehmer. Nur so ist es überhaupt möglich, Begriffe wie Wettbewerbsfähigkeit oder Finanzierungssituation europaweit auf eine empirische Basis zu stellen.

Dank des ISIC-Formats sind heute die Statistiken von rund 150 Ländern mit NACE kompatibel – das gilt natürlich auch für die bundesrepublikanische Systematik der Wirtschaftszweige.

Was leistet die NACE-Systematik?

Systeme, die einen Bereich an Phänomen klassifizieren, konstruieren eine Wirklichkeit zweiter Ordnung, über die man sich verständigen kann. Im konkreten Fall bedeutet dies: Das Universum möglicher wirtschaftlicher Tätigkeiten wird festgelegt und im NACE-Code mit denjenigen statistischen Einheiten (Betriebe, Unternehmen) verknüpft, die diese Tätigkeiten ausführen. Damit gruppieren sich spezifische Wirtschaftseinheiten anhand festgelegter Merkmale (wirtschaftlicher Tätigkeiten) zu abgrenzbaren Gruppen. Erst solche Operationen lassen es zu, Unternehmen, die beispielsweise Verpackungsmaterial aus Kunststoff produzieren, von solchen zu unterscheiden, die Bedarfsartikel aus Kunststoff fabrizieren.

Nachjustierungen, praktische Einwände gegenüber der Einteilung oder Veränderungen in den wirtschaftlichen Tätigkeiten führen nicht selten zu Revisionen. So auch beim NACE: Aktuell gültig ist hier die seit 2008 gängige Revision 2 (NACE Rev. 2).

Der Aufbau  des NACE

Das NACE umfasst bis zu vier hierarchisch gegliederte Ebenen. Die höchste Ebene bezeichnet die Abschnitte der Wirtschaftszweige und ist mit einem alphabetischen Code (A bis U) kenntlich gemacht. Auf der nächsten Ebene folgen die Abteilungen, die durch einen zweistelligen numerischen Code ausgewiesen werden. Eine Ebene darunter liegen die Gruppen, die durch eine zusätzliche Ziffer gekennzeichnet sind. Das gleiche gilt für die unterste Ebene, die Klassen. Folglich sind die Klassen durch einen vierstelligen Zifferncode bestimmt. Der Buchstabe für die Abschnitte wird in der Kodierungspraxis nicht immer genannt.

Ein typsiches Beispiel einer NACE-Codierung:

  • Abschnitt „C“: Verarbeitendes Gewerbe/ Herstellung von Waren
    • Abteilung „25“: Herstellung von Metallerzeugnissen
      • Gruppe „25.2“: Herstellung von Metalltanks und -behältern; Herstellung von Heizkörpern und -kesseln für Zentralheizungen
        • Klasse „25.29“: Herstellung von Sammelbehältern, Tanks u. ä. Behältern aus Metall.

Wofür Unternehmer das NACE nutzen können

In der EU-Politik dienen die nach NACE erhobenen Statistiken als Entscheidungsgrundlage, mit der sich regionale Wirtschaftsentwicklungen, aber auch die Prozesse der Beitrittskandidaten oder ganzer Wirtschaftszweige europaweit beurteilen lassen. Gerade in postfaktischen Zeiten kann die Bedeutung von verfahrenssicheren, statistischen Erhebungen für Politik und Öffentlichkeitsarbeit nicht unterschätzt werden.

Klarheit, europäische Lagebilder und Entscheidungsgrundlage — diese Vorzüge lassen sich auch im Bereich der Unternehmensführung geltend machen. Hier können NACE und das statistische Angebot von Eurostat den Unternehmern dabei helfen, drei essentielle Steuerungsfragen zu beantworten: Was mache ich hier eigentlich? Was machen und wer sind die anderen? Sowie: Was kann ich tun?

Dank der NACE-Kodierung müssen Tätigkeit und Hauptgeschäft des eigenen Unternehmens zweifelsfrei positioniert werden. Bei einigen Förderprogrammen kann so die prinzipielle Förderfähigkeit des Unternehmens festgestellt werden. Gleichzeitig gewinnen Unternehmer Kenntnisse über verwandte Wirtschaftstätigkeiten oder Abgrenzung ihrer Tätigkeit von Zulieferern.

Treten bei der Zuordnung Schwierigkeiten auf, etwa durch unklar gewichtete Geschäftsfelder, sollte vielleicht über eine deutlichere Positionierung oder Neuaufstellung in der Unternehmenspolitik nachgedacht werden.

Wer den Einsatz und die Bedienung von Datenbanken nicht scheut, kann auf Eurostat bis zu der Abteilungsebene des NACE europaweite Statistiken mit verschiedensten Parametern erstellen, wie Umsatz, aktive Unternehmen, Produktionswerte, Personalaufwendung, Beschäftigtenanzahl, Investitionsquote und viele mehr.

Die Unternehmenspolitik kann vom strukturierten Blick auf den europäischen Markt und seine Akteure nur profitieren. Gerade Brancheninformationen und Daten zur Mitbewerbersituation sind hier von großem Wert.

Wie ist das eigene Unternehmen im Vergleich zum europäischen Wettbewerb positioniert? Wo soll sich das Unternehmen bewusst vom Wettbewerb unterscheiden, in welchem Bereich können Überkapazitäten abgebaut werden? Welche Region ist für eine Unternehmensexpansion besonders interessant? In welchen Ländern ist die Suche nach neuen Kooperationspartnern oder günstigen Zulieferern besonders erfolgsversprechend?

Zu all diesen Fragen liefern die Datenbanken von Eurostat Anregungen zum Nachdenken und erste empirische Indizien für die Gestaltung der unternehmerischen Zukunft.

Quellen

Interviews

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Interview - Sandra Schmidt von der Europäischen Investitionsbank

Die Europäische Investitionsbank hat zahlreiche Förderschwerpunkte. Darunter auch Innovation und Wissen. Wann ein Unternehmen jedoch als innovativ gilt und welche innovativen Projekte die EIB bereits angestoßen hat, darüber spricht Klaus Weiler mit Sandra Schmidt im Interview.

"Ein EIB-Darlehen hat eine hohe Signalwirkung"

Sandra Schmidt (EIB) und Klaus Weiler

Interview - Sandra Schmidt von der Europäischen Investitionsbank

Die Europäische Investitionsbank, kurz EIB, gehört zu den wichtigsten Vergabestellen unserer Zeit. Welche Finanzierungsmöglichkeiten jedoch bietet sie KMU, Mid Caps und großen Unternehmen und was müssen Antragsteller beachten? Darüber spricht Klaus Weiler mit Sandra Schmidt im Interview.

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Interview Förderlandschaft - Sandra Schmidt von der Europäischen Investitionsbank

Als größte multilaterale Anleiheemittentin und Darlehensgeberin der Welt gehört die Europäische Investitionsbank, kurz EIB, zu den wichtigsten Vergabestellen unserer Zeit. Was die EIB im Besonderen auszeichnet, darüber spricht Klaus Weiler mit Sandra Schmidt im Interview.

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